Geschichte der IFRK
Am 18. Januar 1990 wurde die
Initiative zur Förderung rechenschwacher Kinder: IFRK von betroffenen Eltern als gemeinnütziger
Verein in Stuttgart gegründet. Sie ist damit unseres Wissens der älteste
Elternverband in Deutschland, der die besondere Förderbedürftigkeit
rechenschwacher Kinder erkannte und sich zum Ziel setzte, Kinder mit besonderen
Schwierigkeiten beim Rechnenlernen zu unterstützen. Es war das Hauptanliegen der IFRK, die Anerkennung der
Rechenschwäche als Teilleistungsschwäche in Schule und Öffentlichkeit zu
erreichen, eine
Anerkennung, die der Lese-Rechtschreibschwäche schon damals seit vielen Jahren
bundesweit zuteil wurde, nicht zuletzt durch die unermüdliche Arbeit des
Bundesverbandes Legasthenie, der sich bereits seit mehreren Jahrzehnten für die
Belange lese-rechtschreibschwacher Kinder einsetzte. Die IFRK wurde bald als gemeinnützig anerkannt und
setzte sich in der Folgezeit überregional, d.h. bundesweit, durch verschiedene
Aktivitäten für die Belange rechenschwacher Kinder ein. Aus den anfänglich 14 Mitgliedern wurden schnell mehrere
Hundert; vorwiegend Eltern, aber auch immer mehr Lehrerinnen und Lehrer,
Therapeutinnen und Therapeuten schlossen sich an. Inzwischen hat die IFRK 8 Landesvertretungen.
Aus den anfänglichen Gesprächskreisen entstanden
Veranstaltungen mit Vorträgen und Workshops, die den Eltern zur Information,
den Lehrerinnen und Lehrern als Fortbildung dienten. Die Initiative trug so zu einer immer besseren
Verständigung zwischen Elternhaus und Schule bei.
Auf Betreiben der IFRK
wurde im Jahr 1996 vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport,
Baden-Württemberg eine Arbeitsgruppe mit dem Titel „Rechenschwäche in der
Grundschule“ gegründet, in der die IFRK mitarbeiten durfte. Diese Arbeitsgruppe
entwickelte die Broschüre „Schwierigkeiten im Mathematikunterricht in der
Grundschule“, die als Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer an alle
Grundschulen des Landes Baden-Württemberg verteilt wurde. Gleichzeitig
erstellte die Arbeitsgruppe einen „Leitfaden für Eltern“, der von den Schule
als Erstinformation an betroffene Eltern weitergegeben werden konnte. So konnte erstmals eine wirksame
Sensibilisierung in Schule und Öffentlichkeit für den Problembereich „Dyskalkulie“
in Baden-Württemberg eingeleitet werden. Im Januar 1999 gründete das
Ministerium eine weitere Arbeitsgruppe zum Thema „Rechenschwierigkeiten“ mit
der Zielsetzung, eine Verwaltungsvorschrift zu entwickeln, die den schulischen
Umgang mit der Problematik regelt. Auch in dieser Arbeitsgruppe durfte die IFRK
mitarbeiten und konnte so die Elternsicht in die Konzeption mit einbringen. Leider konnte das
Ministerium sich nicht entschließen, diese Vorschrift in Kraft zu setzen: Die
Vorschrift wurde am 3. Mai 1999 zurückgezogen. Die IFRK initiierte daraufhin
im Jahr 2001 eine Unterschriftenaktion zu einer an das Kultusministerium
Baden-Württemberg gerichteten Petition für „Fördermaßnahmen für rechenschwache
Kinder, die den Fördermaßnahmen für lese- rechtschreibschwache Kinder
vergleichbar sein sollten“. Diese Aktion wurde von mehr als 5000 Menschen
unterstützt; d.h. mehr als 5000 Unterschriften wurden an das Kultusministerium
weitergeleitet bzw. persönlich übergeben.
Das Kultusministerium verfasste daraufhin auf Bitten
der IFRK in Form eines Briefes eine ausführliche schriftliche Darstellung der
pädagogischen Freiräume in Mathematik, wobei die in B.-W. bestehenden
Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zugrunde gelegt wurden. Dieser Brief war
für viele Lehrerinnen und Lehrer die erste Hilfe für den Umgang mit
Rechenschwäche in Baden-Württemberg.
Um die Situation rechenschwacher Kinder zu verbessern,
wurde außerdem vom Ministerium eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung von
Bausteinen für die Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts gegründet, in
der die IFRK mitarbeiten durfte. Im Anschluss übernahmen vier Hochschulprofessoren
die Schulung von 60 Multiplikatoren, die jeweils in ihren Schulamtsbereichen
die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Fach Mathematik leisten sollten.
Sicher war dieses Projekt (WUM -Weiterentwicklung des Unterrichts in Mathematik)
ein wichtiger Schritt für bessere Fördermöglichkeiten für rechenschwache
Kinder, aber leider nicht ausreichend, solange ein vertikal gegliedertes
Schulsystem zwangsweise eine Selektion schwacher Schülerinnen und Schüler
unvermeidbar macht.
Zur
großen Freude der IFRK entschloss sich das Kultusministerium im Jahr 2007, eine
Verwaltungsvorschrift zu erarbeiten, die
neben der Lese-Rechtschreibschwäche und anderen Lernproblematiken auch die
Rechenschwäche berücksichtigte. Auch an dieser Vorschrift durfte die IFRK mitarbeiten.
Sie trat am 1. August 2008 in Kraft. Wenn auch, aus Sicht der IFRK, wichtige
Punkte in Bezug auf den dringend notwendigen Nachteilsausgleich fehlen, hat die
IFRK damit ihr wichtigstes Anliegen: die Anerkennung der besonderen
Förderbedürftigkeit rechenschwacher Kinder und die Zusicherung besonderer
Förder- und Hilfsmaßnahmen von Seiten des Kultusministeriums in ihrem
Gründungsland Baden-Württemberg erreicht. Im Jahr
2000 feierte die IFRK mit dem Symposium 2000 an der PH Ludwigsburg ihr
10-jähriges Bestehen. Dieser Kongress wurde von weit mehr als tausend
Teilnehmern besucht. Die damalige Schulrätin Frau Franz, die die Grußworte des
Kultusministeriums überbrachte, bezeichnete diesen Kongress damals als
Meilenstein in der Geschichte der Dyskalkulie. Die IFRK ist davon
überzeugt, dass der Kongress „Legasthenie – Dyskalkulie – sicher erkennen,
nachhaltig fördern“, der am 20. März 2010 in der Kongresshalle Böblingen
stattfindet, auch wieder dazu beitragen wird, die schulischen Bedingungen für
Kinder mit Dyskalkulie weiterhin zu verbessern. Das Kultusministerium hat dem
Kongress Grußworte zugesichert. Im Folgenden eine kurze
Zusammenfassung aus der Verwaltungsvorschrift zum Bereich Dyskalkulie:
Unter der Rubrik: Allgemeine Ziele und Grundsätze sieht die Vorschrift die folgende Verfahrensweise
vor:
- Erkennung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten auf allen Schulstufen
- Fortlaufende Beobachtung der Lernentwicklung
- Kontinuierliche Lernstandsdiagnosen
- Erstellung von individuellen Förderplänen und Durchführung von
Fördermaßnahmen, auch als zeitlich befristeter Einzelunterricht, falls
erforderlich (auf Beschluss der Klassenkonferenz)
- Dabei: Kooperation mit Eltern, schulischen Beratungsstellen und
außerschulischen Partnern (Therapieinstitute, Trägern der Jugendhilfe)
In besonders begründeten Einzelfällen ist
auch ein gewisser Nachteilsausgleich vorgesehen in Form
von:
-
Anpassung der Arbeitszeit
-
Nutzung von technischen oder didaktisch-methodischen Hilfen
-
Anpassung der Gewichtung der schriftlichen, mündlichen und praktischen
Leistungen (wobei jeweils eine hinreichende Gewichtung gewährleistet sein muss)
-
Abweichung von den äußeren Rahmenbedingungen einer Prüfung
Mögliche
Härten,
die sich aus dem für alle Schüler gleichermaßen geltenden Anforderungsprofil
ergeben, können mit den jeweiligen bestehenden Ermessungsspielräumen gemildert
werden, insbesondere bezüglich
- Nachlernfristen
- Ausnahmeregelungen bei
Versetzungsentscheidungen
- Zusätzlichen Wiederholungen
von Klassen oder Jahrgangsstufen
- Ergänzungen der Noten durch
verbale Beurteilungen
- Ausnahmeregelungen bei der
Aufnahme in weiterführende Schulen
Eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer
wird zur Zeit vom Landesinstitut für Schulentwicklung LS zu der bestehenden Verwaltungsvorschrift
erarbeitet. Auch hier ist die IFRK beteiligt. Die IFRK geht davon aus, dass mit
dem Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift und der Veröffentlichung der
Handreichung in Baden-Württemberg die Situation rechenschwacher Kinder im
Unterricht nachhaltig verbessert wird. Die IFRK erhofft sich des Weiteren, dass
damit die Grundlage für weitere Verbesserungen in der Schule der Zukunft geschaffen
wurde. Nach 20 Jahren intensiver Bemühungen zum
Wohle rechenschwacher Kinder wünschen wir uns sehr, dass es in naher Zukunft
immer mehr Bundesländer in Deutschland geben wird, die Kindern mit Dyskalkulie
eine Chance geben. Die Kultusministerien aller Länder sollten dafür Sorge
tragen,dass Kinder mit Dyskalkulie Möglichkeiten bekommen, ihre Schwäche zu überwinden
und eine Schullaufbahn zu durchlaufen, die ihren positiven Begabungen
entspricht.
Margret Schwarz, 1. Vorsitzende der IFRK
e.V. Stuttgart, im
Januar 2010
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